23. November 2023

Zwhatt – ein neuer Stadtteil entsteht

Im November 2022 haben in Regensdorf die Bauarbeiten für einen neuen Zürcher Stadtteil begonnen. 17 Zugminuten von Zürich entfernt, entstehen bis 2030 über 600 neue Wohnungen und 15'000 Quadratmeter Gewerbefläche. Zwhatt gilt als Leuchtturmprojekt und ist Teil des Bundesprogramms «Klimaangepasste Arealentwicklung». Ein Baustellenbesuch rund ein Jahr nach dem Spatenstich.

Text/Bilder: Anita Bucher

Insgesamt zehn Gebäude werden auf dem Areal Zwhatt erstellt. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Von Hochhäusern bis Gewerbebauten und Loggia ist alles dabei. Aufgrund von unterschiedlichen späteren Nutzungen werden verschiedene Bauweisen genutzt. Ein Teil wird in Holz-Hybridbauweise, der andere im Massivbau erstellt. Organisatorisch ist die Baustelle in zwei autonome Baufelder aufgeteilt. Auf beiden Baufeldern ist ERNE als Baumeister involviert.

Raffael Senn ist als Hochbaupolier zusammen mit Daniel Obrist und Roman Schmid sowie rund 50 Bauleuten für das Baufeld G zuständig. Darauf entstehen fünf Gebäudekomplexe in unterschiedlichen Rohbaustrukturen mit zweistöckiger Einstellhalle. Nebst drei sehr grossen Gebäuden für Gewerbe und Wohnungen wird das ERNE Team hier auch eine Loggia und einen Pavillon in Stahl-Beton-Konstruktion errichten.

Es werden gut 29'000 m3 Beton, 3'200 Tonnen Armierung, 19'500 m2 Deckenelemente, 400 Tonnen brandbeschichtete Stahlkonstruktion sowie 500 vorfabrizierte Stützen verbaut. Die Rohbauarbeiten dauern 24 Monate und werden voraussichtlich im Oktober 2024 abgeschlossen.

Tiefgarage fertiggestellt nach 10.5 Monaten Bauzeit
Die Einstellhalle besteht aus einer Mischbauweise aus vorgefertigten Deckenplatten und konventionell geschalten Deckenbereichen, welche sich streifenweise abwechseln. Dazu erschwerend die mehrseitigen Gefälle wegen der Wasserabführung, welche eine präzise Planung voraussetzen. Am Tag meines Baustellenbesuches, am 4. Oktober, darf Raffael Senn nun zusammen mit der Bauleitung und der Bauherrenvertretung auf die Vollendung der Tiefgarage anstossen. «Erst gestern haben wir die letzte Deckenetappe der Einstellhalle betoniert. Jetzt sind wir im Untergrund fertig.», sagt Raffael erleichtert.

Gewerbebau mit 18 Tonnen schweren Deckenplatten
Gefordert waren der junge Polier und sein Team auf der Grossbaustelle auch an anderen Orten. Beispielsweise beim achtgeschossigen Gewerbebau mit den Ausmassen von rund 19x78 Meter.

Der Kernbereich und die Aussenwände der Untergeschosse bestehen aus Ortbeton, die restliche Tragstruktur ab dem EG aus einer Stahlstützen-Träger-Konstruktion, welche vor Ort ausarmiert und betoniert wurde. Bei den Decken wurden bis zu 18.25 Tonnen schwere, 3 x 19 Meter grosse Rippendeckenelemente mit vorgespannten Trägern versetzt, welche zudem noch überbetoniert werden mussten. Das Versetzen der schweren Träger war eine logistische Herausforderung. Die Elemente mussten mit einem Autokran versetzt werden. 24 Lastwagen mit Spezialtransporten lieferten die Deckenplatten «just in time» im Abstand von rund 30 Minuten an.

«Vor der ersten Etappe habe ich nicht so gut geschlafen», erinnert sich Raffael. «Schlussendlich lief aber alles, wie wir es geplant hatten». Innert zwei Tagen waren alle Elemente versetzt und Raffael sowie das ganze Team um eine spannende Erfahrung reicher.

3D-Pläne sorgen für Klarheit und Verständnis
Drei aufgeräumte Planhäuschen mit Bildschirmen auf der Zwhatt-Baustelle verraten, dass hier mit 3D-Plänen gearbeitet wird. «Eine Riesenunterstützung sei das», sagt Raffael. «Ich bin schon als Maurer mit digitalem Bauen in Berührung gekommen und später war es ein wichtiger Bestandteil in der Polierschule», führt er aus. Die Planhäuschen stehen den Polieren, Vorarbeitern und den sechs Gruppenführern zur freien Benutzung zur Verfügung. Weiter gibt es auch noch zwei Tablets, die benutzt werden können. So kann man jedes Detail visualisieren oder drehen und sieht von allen Seiten sofort, wie es ausschaut. «3D-Pläne sind noch viel einfacher zu benutzen als 2D-Pläne», sagt Raffael. Praktisch sei auch, dass bei jeder Betonetappe genau hinterlegt sei, welche Betonmenge benötigt werde. Auch beim Planen könne man mit 3D-Plänen viel schneller einschätzen, wie lange man für eine Leistung benötigt.

«Komplexe Bewehrungsbereiche kann man mit Hilfe der 3D-Modellierung sehr gut erkennen und darauf reagieren. Für das Einfahren sehr langer Eisen konnten wir zum Beispiel in diesen Bereichen die eigentlich vorgängig zu montierenden Abschalungen weglassen. Man erkennt Bereiche, welche eventuell vorgebunden werden müssen, viel schneller», so Raffael

ERNE VDC-Abteilung passt Modelle auf eigene Bedürfnisse an
Die 3D-Pläne werden vom Bauingenieur erstellt und anschliessend von der ERNE eigenen VDC-Abteilung für die Bedürfnisse der Bauleute aufbereitet.

In diesem Projekt stand das BIM-Team von ERNE vor der Herausforderung, vielschichtige BIM-Modelldaten verschiedener Ausführungsplaner zu harmonisieren. Dank der Expertise des Teams und in enger Zusammenarbeit mit den Polieren gelang es, diese Modelle so zu optimieren, dass sie direkt vor Ort ihre volle Wirkung entfalten.

Dazu stehen Poliere und Bauführer in regelmässigem Austausch mit der VDC-Abteilung. Diese Symbiose von Büro und Baustelle ermöglicht es ERNE, auf unerwartete Herausforderungen zügig zu reagieren und Neuerungen sowie individuelle Wünsche nahtlos in die Praxis umzusetzen. Ein Paradebeispiel für zukunftsorientiertes und kompetentes digitales Bauen.

«Bei diesem Projekt hier haben wir uns gewünscht, dass das BIM-Team jede Wand-Etappe farblich anders gestaltet, da es für uns so übersichtlicher ist», erzählt Raffael, während er mir am Bildschirm die farblich abgesetzten Wände zeigt.

Und wie steht es mit der Anbindung der Digital-Pläne an die Bestellmengen? «Prima», sagt Raffael. Die Bestellungen für die Eisen und für den Standard-Beton pro Lastwagen werden im Modell hinterlegt und zur Auslösung terminiert.
Gibt es denn aus seiner Sicht noch offene Wünsche an die Optimierung der digitalen Pläne? Der Polier zögert kurz und sagt dann: «Die Konstruktionsangaben von anderen Gewerken, wie zum Beispiel die Einlagen der Haustechnik in der Betonkonstruktion. Das müsste man meiner Meinung nach in Zukunft noch verbessern.»

Organisatorische Herausforderungen
Es gibt viele Herausforderungen bei einem so grossen und vielseitigen Projekt. Der Personal- und Inventareinsatz, das Bestellwesen, die Logistik, die Koordination der Subunternehmer und Dritthandwerker und vor allem die Arbeitssicherheit, welche täglich im Vordergrund steht. All dies führt zu einer anspruchsvollen und zeitintensiven Arbeitsvorbereitung. Ganz schön herausfordernd für einen jungen Polier, der erst vor knapp vier Jahren die Polierschule abgeschlossen hat.

Denn Raffael Senn, der eigentlich als Unterstützung für einen erfahrenen Polier auf die Baustelle gekommen ist, musste aufgrund des Ausfalls seines Kollegen plötzlich viel mehr Verantwortung übernehmen als ursprünglich angedacht. «Stimmt. Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden», bestätigt er. « Aber gleichzeitig ist es für mich wunderschön, dieses Vertrauen bekommen zu haben. Man wächst an so einer Aufgabe, es ist eine Riesenerfahrung für mich.» Zudem könne er jederzeit auf die Unterstützung von seinem Bauführer zählen, erzählt Raffael.

Überhaupt sei die Umsetzung dieser Grossbaustelle nur durch das motivierte Team mit seiner hohen Leistungsbereitschaft möglich, betont Raffael. Ohne diese Unterstützung sowie das gute Teamwork ginge es nicht.

Digitale Pläne – auch auf dem Handy
Auf einmal grosse Aufregung: «Chef, da stimmt etwas nicht, komm schau.» Raffael bleibt ruhig, wie immer, besieht sich die Stelle, zückt sein Handy. Genauso wie die Bauleute, die ihn umringen. Einige Minuten lang checkt die Gruppe gemeinsam die Pläne auf dem Handy. Dann ergreift der Polier wieder die Führung: «Ich kümmere mich darum», sagt er zu seiner Gruppe. Auch das ist die Realität. Es läuft nicht immer alles wie geplant, aber genau diese Herausforderungen auf Platz gilt es für ihn zu lösen. Rund um ihn herum arbeitet die Gruppe bereits gezielt weiter. So, als wäre nie etwas gewesen.

Infobox:

ZWHATT
Bauzeit:               November 2022 – Oktober 2024
Baukörper:         10 auf zwei Baufeldern
Gewerbe:            15’000m2
Wohnungen:       600
Tiefgarage:         2-stöckig
Bauweise:           Massivbau/Hybridbau
Betonmenge:      34'600 m3 (Beide Baufelder)
Bewehrung:         3'900 Tonnen (Beide Baufelder)
Holz:                    
Baumeister:        ERNE AG Bauunternehmung; Laufenburg
Bauherrschaft:   Pensimo Management AG

18 Tonnen schwere, je 19x3 Meter lange Deckenplatten wurden auf dem Gewerbebau während zwei Tagen mit dem Pneukran verbaut, eine Herkules-Arbeit.

«Die digitalen Pläne sind eine Riesenerleichterung für mich», sagt Polier Raffael Senn.

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