13. Juni 2023

Das Wellpoint-Verfahren in der Baugrube

Bei Grundwasservorkommen braucht es das richtige Wasserhaltungs-Management auf der Baustelle. Abgestimmt auf verschiedene Bodenbeschaffenheiten kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Einer der sich auskennt ist Rolf Jakob, Leiter der Abteilung «Grundwasserabsenkungen» bei der Stump-BTE AG.

Text: Anita Bucher

Bauen wollen wir in jedem Baugrund. Sondierungsbohrungen im Vorfeld sollen die nötigen, geologischen Informationen über die Bodenbeschaffenheit und allfällige zu ergreifende Fundierungsmassnahmen liefern. «Oftmals werden aber auch bei grossen Baugruben nur wenige Erkundungsbohrungen durchgeführt», so Rolf Jakob. Das führe immer wieder zu neuen Herausforderungen und Überraschungen, da der Boden teils an einer Ecke teils ganz anderes geschichtet sei, wie an der anderen.

Nebst schwierigem Baugrund kann auch vorhandenes Grundwasser und Hangwasser beim Bauen zum Problem werden. Mittels temporären Grundwasser-Absenkungen während der Bauzeit kann diese Herausforderung in den Griff bekommen werden. «Mit den wechselhaften Böden in der Schweiz braucht es verschiedene Systeme auch bei der Grundwasserabsenkung», erklärt der Grundwasserexperte.

Geologisch vielseitige Schweiz
Wer sich eine geologische Karte der Schweiz anschaut, staunt über die Vielseitigkeit der Böden auf so kleinem Raum. Da gibt es Seeböden, Torfböden, kiesige Böden, Felsvorkommen, eratische Blöcke und noch vieles mehr und oftmals sieht man erst beim Beginn des Aushubs, wo eine Zone in die andere übergeht. Die Bodenbeschaffenheit ist jedoch entscheidend für die Wahl des Grundwassermanagements, erklärt Jakob. Häufig besteht bereits im Vorfeld der Verdacht auf Grundwasservorkommen. Gerade wenn nahe an einem Bach oder einem See gebaut wird oder der Flurnamen geologische Informationen verrät, sollte die Grundwasserabsenkung frühzeitig als Budgetposten in die Planung einfliessen.

Offene und geschlossene Systeme
Zum Einsatz kommen je nach Bodenbeschaffenheit verschiedene Systeme. Befindet sich eine Baustelle am Hang, oder dringt Wasser durch durchlässige Bodenschichten in den Aushubbereich, kann eine offene Wasserhaltung über eine Sickerleitung und Pumpe ein Thema sein. Das Wasser wird also punktuell in einem Schacht gesammelt und abgeleitet. Bei zu viel Feuchtigkeit müssen aber häufig zusätzliche Massnahmen ergriffen werden. Hierbei kann das Setzen von Spundwänden ein Thema sein oder eben die Grundwasserabsenkung durch ein geschlossenes System, also einen Filterbrunnen oder ein Vakuumverfahren.

Auf den Boden kommt es an
Im feinkörnigen sehr lehmigen Boden bleibt das Wasser in den Kapillaren hängen. Will man eine stabile Baugrube erreichen und verhindern, dass der Tiefbauer mühsam im Matsch arbeiten muss, kann eine Grundwasserabführung mittels Vakuums, wie sie auf der Baustelle Borna (Baustelle des Monats) gemacht wird, genau das Richtige sein. Die Filter werden in einem Abstand von ca. 1.50 – 2.50 m auf eine Tiefe von fünf bis neun Meter rund um die Baugrube angeordnet und sollten auf jeden Fall tiefer gehen als die Baugrube ausgehoben wird. Im oberen Bereich ist der Filter ein normaler geschlossener Schlauch, der an die Ringleitung und die Vakuumpumpe angeschlossen ist. Damit das Wasser durch den feinporigen Boden abgesogen werden kann, wird ein Vakuum aufgebaut.

80 – 130 Filter pro Pumpe
Alle eineinhalb Meter, geht ein Filter in den Boden. Auf keinen Fall dürfen die Filter zu eng gesetzt werden, ansonsten würden sie sich gegenseitig stören, warnt Jakob. Die Filter setzen die Spezialisten mit einem Bohrgerät auf die nötige Tiefe und kleiden sie rundherum mit einem Filtermantel aus Splitt oder Sand aus. Dieser bietet optimale Voraussetzungen für die Filterung. Reichen 80 – 130 Filter nicht, können in einer Baugrube auch zusätzliche Filteranlagen und Pumpen installiert werden. Sobald es jedoch in die Tiefe geht, sind dem Wellpoint-Verfahren physikalische Grenzen gesetzt.

«Man kann die Aushubetappe nicht beliebig tief machen. Das Wellpointverfahren ist gemäss Newtonschem Gesetz über die Erdgravitation auf 9.81 Meter beschränkt. Für das Mittelland mit Höhenlagen zwischen 300 und 500 Meter kommt man so auf ein Absenkungspotenzial von 8.5 – 9 Metern», so Jakob. In den meisten Fällen reicht das für ein Untergeschoss aus. Falls nicht, hat man die Möglichkeit eine mehrstufige Wellpoint-Installation zu machen, indem man die Baugrube in verschiedenen Etappen aushebt.

Vakuum-Verfahren oder Filterbrunnen?
Wellpoint-Verfahren kommen im Gegensatz zu einem Filterbrunnen dort zum Einsatz, wo der Boden von oben bis unten feinkörnig/sandig ist und eine stabile Baugrube benötigt wird. Auch bei Hanglagen, wenn Hangwasser vorhanden ist, sind sie ein Thema. Bei Filterbrunnen wird Grundwasser mittels Schwerkraft abgepumpt. Sie eignen sich im Gegensatz zum Wellpoint-Verfahren vor allem für durchlässige kiesige Böden. Ihre Wirksamkeit ist punktuell sehr hoch. Dennoch braucht es je nach Baugrubengrösse in gewissen Abständen mehrere Filterbrunnen, um vorhandenes Wasser abzuführen. «Mit dem Filterbrunnen kann man viel tiefer runter, wie mit dem Wellpoint», so Jakob. Das hat damit zu tun, dass der Filterbrunnen mit starker Unterwasserpumpe betrieben werden kann. Weiter kommen Filterbrunnen hauptsächlich in geschlossenen Baugruben bei grosser Grundwasserzuströmung zum Einsatz. Beim Wellpoint-System ist ein geschlossener Baugrubenabschluss nicht immer notwendig.

Einbau und Inbetriebnahme
Wellpoint-Filter werden entweder mit verrohrten Bohrungen oder gespült in den Boden versetzt «Bein Projekt Borna haben wir die Filter in 6-7 Arbeitstagen eingespült. Danach folgten die Montagearbeiten, um die Filter an die Ringleitung anzuschliessen.» Das aufgebaute Vakuum wird mit einem Manometer gemessen. Für eine optimale Leistung muss das Vakuum auf die eingebrachte Filtertiefe abgestimmt sein. Wenn die Filter ihre Arbeit aufgenommen haben und Grundwasser über die Pumpen in ein Absetzbecken fördern, dauert es eine gewisse Zeit (einige Tage bis zu zwei Wochen) bis der Grundwasserspiegel auf das gewünschte Absenkziel sinkt.

Regelmässige Messungen mittels Piezometer
Um die Fortschritte messen zu können, werden in der Baugrube und ausserhalb Piezometer (Überwachungspunkte) installiert. Hier kann mit einem Lichtlot oder einer Pegelsonde auf einfache Art und Weise die Höhe des Grundwasserspiegels gemessen werden. «Den Einbau der Piezometer machen wir im gleichen Arbeitsgang wie das Einspülen der Filter. Vor der Betriebsaufnahme gibt es eine 0-Messung. So können die Fortschritte überwacht und bestimmt werden, wann beispielsweise der Aushubunternehmer mit dem Aushub starten kann.

Mit 1-2 Piezometern ausserhalb der Baugrube wird gemessen, wie weit das Wellpoint-Verfahren wirkt. Denn «Wenn man Grundwasserabsenkungen in einer offenen Baugrube macht, wirken diese natürlich auch ausserhalb der Baugrube. Man darf nicht vergessen: Jede Grundwasserabsenkung hat einen gewissen Einfluss auf den anstehenden Boden. Wenn man dem Boden Wasser entzieht, verändert sich das Porenvolumen und es kann zu ungewollten Setzungen, zum Beispiel von Gartenplatten kommen.» Der Piezometer ausserhalb der Baugrube dient somit der Beweissicherung, wenn es auf dem benachbarten Grundstück zu Schadenforderungen kommt.».

Wasserabführung und Kontrollsystem
Das Wellpoint-System gehört zu den geschlossenen Systemen. Es wird kein Wasser von der Oberfläche angepumpt, sondern lediglich Grundwasser abgeführt. Das abgepumpte Wasser ist daher von bester Qualität und kann über ein Absetzbecken (damit die Restfeststoffe zurückbleiben) in einen See einen Bach oder falls nicht vorhanden in die Kanalisation abgeführt werden.

Der Betrieb des Vakuumsystems wird stetig überwacht. Bei Druckabfall oder Stromausfall wird ein Alarm generiert, der per SMS an den Pikettdienst verschickt wird. «Dann müssen wir umgehend hin.», so Jakob. «Denn der Grundwasserspiegel muss permanent unten bleiben, Tag und Nacht.

 

Stump-BTE AG

Die Stump-BTE AG ist eine Firma im Spezialtiefbau in den Bereichen Wasserabsenkung, Frischwasserbrunnen und anspruchsvollen Bohrungen aller Art. Sie gehört zur Marti Gruppe Solothurn. Mit einem Know-how aus fast 70 Jahren zählt die Stump-BTE zu den kompetentesten und am besten ausgerüsteten Unternehmen der Branche.

Rolf Jakob leitet die Abteilung Grundwasserabsenkungen. Er ist ausgebildeter Bauführer, hält einen Masterabschluss in Baumanagement und ist bereits seit 26 Jahren im Unternehmen. Zusammen mit seinem Team bewirtschaftet Rolf Jakob Baustellen in der ganzen Schweiz.

 

Rolf Jakob bei der Kontrolle am Piezometer: «Man kann bis heute nicht in den Boden hineinschauen»

 

 

 

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