16. April 2020

Baustelle des Monats: "Rose" in Kappel SO

Während das gesellschaftliche Leben weitgehend still steht, Dienstleister fast nur noch im Home-Office arbeiten und Läden Startnummern zum Einkaufen verteilen wird im Baugewerbe mächtig gearbeitet. Auf der Baustelle des ehemaligen Restaurant Rose im solothurnischen Kappel herrscht nach wie vor Normalbetrieb.

Es ist der Morgen des 20. März 2020. Vor sieben Tagen hat der Bundesrat die Schulen geschlossen. Seit drei Tagen sind auch alle Läden zu, mit Ausnahme jener, die Lebensmittel oder Medikamente verkaufen. Die gespenstische Stille auf den Strassen wird jeden Tag ein bisschen mehr. #stayhome kursiert auf den sozialen Medien. Auf der Baustelle «Rose» in Kappel spürt man davon nichts.

Keine Angst vor dem Corona-Virus

Polier Masar Ramanaj, der sich kurzfristig bereit erklärt hat mich herum zu führen, begrüsst mich und den hiesigen Bauleiter und Architekten mit einem Lächeln. Ist Corona kein Thema für ihn? «Doch doch», bestätigt er. In der Pause würden seine Bauarbeiter schon darüber reden. Aber zu viel darüber nachdenken bringe nichts. Er zeigt auf die aufgeklebten Warnhinweise. Das müsse man umsetzen. Dann sollte nichts passieren. Der 49jährige gebürtige Kosovare arbeitet bereits seit vielen Jahren für die Herzog Bau AG in Menziken. Intern ist er vom Kundenmaurer zum Vorarbeiter und zum Polier aufgestiegen. Ruhig und besonnen bringt ihn so leicht nichts aus der Ruhe auch das Corona-Virus nicht.

Eine langgezogene Baustelle mit zwei Bauten

In Kappel zieht er mit seiner Crew derzeit gleich zwei Bauten hoch. In der Dorfkernzone von Kappel den Ersatzneubau für das ehemalige Restaurant Rose und gleich daneben ein modernes Mehrfamilienhaus. Der Rohbau vom Ersatzbau ist bereits fertig. Das dreistöckige Haus mit sechs Wohneinheiten, einem Studio und integriertem Laden im Erdgeschoss musste aufgrund des Ortsbildschutzes im genau gleichen Volumen wiederaufgebaut werden, wie das vorherige zweihundertjährige Haus. Vorgegeben war auch, dass der Ersatzneubau wiederum ein Steildach trägt. Ganz anders sieht das beim benachbarten Mehrfamilienaus aus. Dieses ist auf grüner Wiese entstanden und durfte deshalb ganz anders umgesetzt werden. Aktuell arbeiten Masar und seine Crew am ersten Obergeschoss des modernen Wohnhauses.

Ordnung muss sein

Hier entstehen gerade 14 Wohneinheiten. Während unseres Rundganges lässt Masar wachsam die Augen hin und her schweifen, bespricht hier und da ein Detail mit einem seiner Bauarbeiter, überprüft das Baugerüst und sorgt für Ordnung. «Die SUVA ist oft vor Ort» erklärt der Bauleiter. Einer der SUVA-Mitarbeiter wohne hier gleich in der Nähe. In der warmen Frühlingssonne setzen die Maurer zügig Backsteine auf Backsteine, während hinter ihnen ein Kollege die Eisen in die Schalungen für den Liftschacht einlegt. Im Moment sieht alles gut aus. Auch das bestellte Material reicht aus. Eisenleger bei der Arbeit am Liftschacht im Mehrfamilienhaus.

Weisse Wanne schützt vor 50jährigem Hochwasser

Nach spannenden Details dieser Baustellen gefragt, lacht Masar. Ihn interessieren alle seine Baustellen, erklärt er. Und er liebt seinen Job. Später lässt er sich dann aber doch noch etwas entlocken. Kappel sei auf der Gefahrenkarte für das 50jährige Hochwasser eingezeichnet. Somit mussten für beide Bauten entsprechende bauliche Massnahmen ergriffen werden. In beiden Gebäuden wurde unter der Bodenplatte eine «weisse Wanne» aus Frischbetonverbundfolie verlegt. In der Tiefgarage, welche unterirdisch beide Bauten verbindet sieht man noch Reste der verbauten «weissen Wanne». Sichtbar ist hier auch die Dilatations-Fuge, welche das Gebäude von der Tiefgarage trennt und damit dafür sorgt, dass allfällige Bewegungen im Gebäude abgefangen werden und das Risiko für Risse im Bauwerk reduziert werden kann.

Polier auf zwei Baustellen gleichzeitig

Während drüben im Ersatzneubau bereits der Zimmermann vor Ort ist und Fenster montiert werden arbeiten derzeit sechs Leute vom Baumeister Herzog Bau Menziken am Mehrfamilienhaus. Ein Klacks für den erfahrenen Polier Masar. Er ist nämlich gleichzeitig noch Polier auf einer anderen Baustelle in Unterkulm und pendelt zwischen beiden Orten hin und her. «Schwierig? » frage ich. Aber er schüttelt nur den Kopf. Er muss rechtzeitig Material bestellen, die Leute einweisen und die Kontrolle über alles haben. «Die Pläne bekomme ich ja fixfertig vom Architekten und vom Ingenieur, ich muss nur noch ausführen», sagt er lächelnd. «Jetzt bist Du aber viel zu bescheiden», ergänzt Bauleiter Urs Bucher ebenfalls lachend. «Schlussendlich braucht es uns alle, damit es klappt auf der Baustelle.» Und dann streiten die beiden jeder ganz zurückhaltend ein bisschen darüber wer jetzt den wichtigeren Job hat. Es klingt ein bisschen wie bei einem alten Ehepaar. «Wir haben schon einige Baustellen zusammen gemacht», erklärt Bucher schmunzelnd. «Mit Masar weiss ich, dass es funktioniert, vor Ort.»

Corona-Virus –eine politische Verschwörung?

Es ist alles so herrlich normal auf der Baustelle Kappel. Fast möchte man vergessen, dass rundherum die Welt ziemlich stillsteht. Ob Masar glaubt, dass die Baustellen schweizweit auch noch geschlossen werden müssen? «Nein, sicher nicht», sagt er ganz vehement. Warum auch? Auf seiner Baustelle ist genug Platz, damit man den nötigen Abstand einhalten kann. Das Händeschütteln hat er sich auch abgewöhnt und die Pausen kann man bei diesem schönen Wetter sowieso draussen machen. Das Corona-Virus macht ihn dennoch nachdenklich, manchmal und er fragt sich, ob da nicht ein paar Mächtige ihre Finger im Spiel haben, die skrupellos eigene Ziele verfolgen. Eine verkannte weltweite Verschwörung, das wäre doch möglich, findet er und löst dabei bei mir ganz neuartige Gedanken aus. – Das Corona-Virus, eine Verschwörung? Wer weiss.

 

Text und Fotos: Anita Bucher

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