24. November 2022

Basel sieht rot

In Riehen, nur einen Steinwurf von der deutschen Grenze entfernt setzt Holzbaupolier Sven Höh, Modul für Modul zu einem modernen Holzbau zusammen. Vier moderne Mehrfamilienhäuser errichtet die ERNE Holzbau so vor Ort. Ein Musterbeispiel in modernem Modulbau, entworfen vom Architekturbüro Harry Gugger.  

Text und Bilder: Anita Bucher 

Der Motor des Pneukrans läuft. Das vorproduzierte Modul von ERNE Holzbau hängt an der eigens dafür gefertigten Metallkonstruktion am Haken des Pneukrans. Konzentriert gibt Holzbaupolier Sven Höh mit dem Funkgerät Anweisungen an den Kranführer. Zentimeter für Zentimeter fängt das 22 Tonnen schwere Modul an zu schweben und erhebt sich schliesslich kontrolliert in die Luft. Noch immer gibt Höh Anweisungen per Funkt. Der routinierte Kranführer ist hochkonzentriert bei der Arbeit. Es dauert nur Minuten bis das Modul über den bereits gesetzten Modulen schwebt, langsam um 90 Grad gedreht wird und schliesslich seine Endposition erreicht. Höh, der auf dem Baugerüst bereitsteht, gibt das Zeichen zum Absenken. Zentimeter für Zentimeter sinkt das Bauteil. Das Aufsetzen muss genaustens stimmen. Denn innen ist das Wohnbaumodul bereits zu einem grossen Teil fertig ausgebaut. Nur durch millimetergenaue Aufsetzung kann gewährleistet werden, dass die eingebauten Fallleitungen für die Haustechniker-Anschlüsse zu passen kommen.  
 
30 Module für 15 Wohnungen 
Holzbaupolier Höh geht mit viel Ruhe und Routine an die Sache ran. Hier am Hirtenweg in Riehen ist es bereits das vierte Modulhaus, dass er erstellt. Die Ausmasse der Häuser sind ziemlich ähnlich, auch wenn die Module unterschiedliche Grössen haben. Haus D, das Letzte, besteht aus 30 Modulen, die Höh und sein Team zu setzen haben. Dreieinhalb Wochen Zeit hat er dafür. «Wir setzen bis zu vier Module pro Tag», erklärt Höh. Regnet es, muss das Team auch mal einen Tag oder zwei pausieren. «Sonst läuft Wasser in die Spalten rein, das ist zu riskant.» Die bereits aufgerichteten Module müssen dann gut abgeklebt werden. «Ich habe extra Planen auf die richtige Grösse anfertigen lassen.» Bei Starkregen schläft der Polier nachts trotzdem schlecht. «Ich bin dann immer angespannt, dass irgendwo Wasser reinlaufen würde.» An diesem 5. Oktober 2022 aber scheint in Riehen die Sonne nach Kräften vom Himmel: Ideales Bauwetter. 

Verschrauben und Verschweissen am Betonkern 
Die vier roten Wohnbauten am Hirtenweg sind typische Hybridbauten. Die Holzmodule stehen auf einer betonierten Bodenplatte und gruppieren sich um ein betoniertes Treppenhaus. Eine Lösung, die aufgrund der Brandschutz- und Erdbebenvorschriften oft gewählt wird.  

«Eigentlich hängt alles an dem Betonkern dran», erklärt Höh. «Dazu wird das Modul mit den benachbarten Modulen verschweisst und über die Decke miteinander verschraub. So kann sich nichts mehr verschieben.» Innen wird die Haustechnik über Installationsschächte angeschlossen. «Das geht relativ schnell, da inwendig alles bereits vorbereitet ist.» Genauso wie auch der grösste Teil des Innenausbaus. Die Module werden im ERNE-Werk im aargauischen Stein vorgefertigt. Bäder und Küchen sind zum grossen Teil bereits eingebaut und werden vor Ort nur noch durch Details komplettiert. 

Sven Höh ist gebürtiger Deutscher. Bereits seit 12 Jahren arbeitet er als Polier in der Schweiz. Seit fünf Jahren ist er bei ERNE, arbeitet viel in der Westschweiz, auch wenn er kein Französisch kann, wie er augenzwinkernd bemerkt. 

Die Suche nach der idealen Modulgrösse 
Die Module an Haus D, die heute gesetzt werden, sind mit 14.45 Metern Länge, 4.23 Metern Breite und 3 Metern Höhe relativ gross. Vizedirektor Michael Liechti, der vor Ort ist, erklärt: «Grundsätzlich haben wir ein Interesse daran, die Module so gross wie möglich zu produzieren. Grössere Module heisst weniger Teile, weniger Kranzüge und somit weniger Stösse, die geschlossen werden müssen.» Die Modulgrösse hange aber auch immer vom Transport ab und dieser sei umso grösser das Modul umso aufwendiger. «Es ist daher immer ein Güter-Abwägeprozess, wie gross wir produzieren», erklärt er.  

Die Module an Haus D sind grösser als diejenigen an Haus A, B und C. Der einfache Grund dafür ist die Zufahrt. «Der Lastwagen muss die Module zuerst in den Bereich bringen können, in welchem der Pneukran arbeitet.» In einer engen Strasse komme man mit grossen Modulen teils schlicht nicht um die Ecke. Da das Haus D von der anderen Strassenseite her aufgerichtet wird, ist hier mehr möglich. Allerdings muss für jedes Modul temporär die Strasse gesperrt und ein Verkehrsdienst aufgeboten werden. All das sind Schwierigkeiten, die bereits bei der Planung zu berücksichtigen sind.  

Digitales Gebäudemodell sorgt für Klarheit 
Polier Sven Höh nutzt vor Ort meist Papierpläne. «Ich habe aber auch ein Tablet, wenn ich was nachschauen muss, wie beispielsweise einzelne Masse.» 
 
Die Projektleiter*innen hingegen arbeiten mit digitalen 3D-Modellen: «Wir haben das ganze Haus bereits bei der Planung als Gebäudemodell digital erstellt», erklärt Marcel Gasser von ERNE. So kann simuliert werden, wie sich alles zusammenfügt und in welcher Reihenfolge aufgebaut werden muss. «Auch in der Produktion überlassen wir nichts dem Zufall. Jedes Holzstück, jedes Element kann mittels QR-Codes im Modell genau zugeordnet werden. Mit der hohen Vorfertigung stellen wir sicher, dass auf der Baustelle alles nur noch zusammengestellt und angeschlossen werden muss. So werden Emissionen, Baulärm und Bauzeit vor Ort massiv reduziert.» 

Laubengänge und Betonplatten 
Während auf der Baustelle der Schweisser am Werk ist und die Module verschraubt werden, ist Polier Sven Höh bereits mit den Vorbereitungsarbeiten für die vorgefertigten Betonplatten beschäftigt, die er setzen muss. Diese gehören zu den vorgelagerten Laubengängen, über welche die Wohnungen künftig erschlossen werden. «Da drüben muss auch noch ein Liftschacht eingesetzt werden», zeigt er. Nächste Woche wird dann auch schon die Fassade geliefert. «Ich habe mir die Elemente für jede Seite zusammen einpacken lassen. Dann muss ich nur einmal mit dem Kran anhängen um es reinzuheben», erklärt Höh. 

Wohnbauprogramm 1000+ 

Die Mehrfamilienhäuser am Hirtenweg sind Teil der Wohnbauprogrammes 1000+, das vom Kanton Basel-Stadt getragen wird. Mit der Schaffung von 1000 neuen Wohnungen leistet dieser so einen substanziellen Beitrag, um die Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum zu decken.  

ERNE Holzbau hatte im Vorfeld zusammen mit dem Architekturbüro Harry Gugger den ausgeschriebenen Wettbewerb auf dem Grundstück am Hirtenweg gewonnen. Zwecks Verdichtung und höherer Ausnutzung wurden auf der Parzelle zwei bestehende alte Mehrfamilienhäuser zurückgebaut. Mittels Etappierungen beim Ersatzneubau konnten bisherige Bewohner direkt auf dem Grundstück umziehen. Erfreulich ist zudem, dass der alte Baumbestand erhalten werden konnte.  
 
Im Gebäudeinnern einer fertigen Wohnung ist von den Modulen nichts mehr zu sehen. Die Grundrisse sind allesamt Z-förmig angelegt, um Grosszügigkeit und Lichtdurchdringung in den Wohnräumen zu schaffen. Draussen an der Fassade hatte die Bauherrschaft entschieden, einen farblichen Akzent zu setzen. So wird die formschöne Holzarchitektur von einem satten Schwedenrot zusätzlich unterstrichen. 
 
Ein Auftritt der gut ankommt. Auch Holzbaupolier Sven Höh gefallen die schwedenroten Bauten gut: «Man sieht nicht mehr, dass es eigentlich gestapelte Module sind.» Bald schon ist für ihn Endspurt angesagt am Hirtenweg. Dann heisst es: «Fassade dran und Ciao». Auf, zur nächsten Baustelle.  

 

 

Persönlich, rasch und direkt

Sie wollen wissen, wofür wir uns engagieren? Abonnieren Sie unseren Newsletter! Bei Fragen steht Ihnen die Geschäftsstelle von Baukader Schweiz zur Verfügung.

Baukader in Ihrer Nähe

Unsere Sektionen bilden das regionale Netzwerk, fördern die Geselligkeit und stehen für Fragen zur Verfügung.

Newsletter abonnieren