17. Mai 2022

24-Stunden-Silo-Bau mit Gleitschalung

Der Bau eines Getreidesilos ist anspruchsvoll. 35.5 Meter hoch mit 21 innenliegenden Getreidekammern die innwendig lunkernfrei abgerieben werden müssen, bietet es Platz für 2‘800 Tonnen Getreide. Der Weg dazu: Eine Gleitschalung, die im 3-Minuten-Takt hochgezogen wird, 212 Stunden lang: Ein 10-tägiger Bau-Marathon für alle Beteiligten.

Text: Anita Bucher
Bilder: zvg

„Den Auftrag haben wir kurz nach Weihnachten per Handschlag bekommen“, erzählt Projektleiter Stefan Keller von der Bolli Bau AG, welche zur Landolt Gruppe gehört. Er begann umgehend mit der Planung und mit dem Bau des Silokellers, der auf herkömmliche Weise erstellt wurde. Ab hier kommt die Gleitschalung zum Einsatz. „Diese verwenden wir wegen den hygienischen Anforderungen des Korns. Denn die Getreidekammern müssen absolut lunkernfrei betoniert werden können. Das geht nur, wenn die neu betonierten Wände noch vor dem Austrocknen sofort abgerieben werden können.

Notfallkonzept für alle Variationen
Bereits die Vorbereitung war intensiv, so Keller. Mit der Gleitschalung der österreichischen Firma Bitschnau Gleit- und Schalungstechnik Gmbh hatte man zwar von Anfang an den richtigen technischen Subunternehmer mit an Bord. Allerdings mussten bei der SUVA, bei den Arbeitsinspektoraten und bei der paritätischen Kommissionen Bewilligungen wegen der Schichtarbeit und der gerüstlosen Bauweise eingeholt werden. Ein Notfallkonzept, das jeden möglichen Ausfall abdeckt, wurde auf die Beine gestellt. „Bei Stromausfall haben wir ein leistungsstarkes Notfallaggregat vor Ort, das sicherstellt, dass wir trotzdem weiterhin gleiten können. Sollte der Kran ausfallen kommt der Pikettdienst der Firma Liebherr zum Zuge oder wir würden auf das im Vorfeld ausgearbeitete Pneukran-Konzept zurückgreifen. Im schlimmsten Falle hätten wir auch noch eine Betonpumpe auf Abruf bereit. Auch personelle Ausfälle der Schlüsselfiguren, wie Poliere oder Kranführer sind geregelt.“

Dreieinhalb Sattelschlepper Material
Nachdem Bau des herkömmlich betonierten Kellers, lieferte die Firma Bitschnau das Material für die Gleitschalung an. „Das war beeindruckend. Dreieinhalb Sattelschlepper voll Material haben sie abgeladen.“ Die 1.2 Meter hohe Schalung sei dann neben dem Bauplatz zusammengebaut und auf dem betonierten Keller fertig montier worden. An 50 Gewindestangen ist sie gegen unten abgestützt. Die Stangen hätten bereits bei der Fundation genaustens eingepasst werden müssen, denn an diesen drückt sich die Gleitschalung jeweils per Knopfdruck hoch.

„Mit Betonieren haben wir in der Nacht vom Sonntag, 3. April gestartet. Wegen der Betonkonsistenz war es einfacher in der Nacht zu beginnen. Eigentlich hatten wir alles super geplant, bis es dann kurz vor Start winterlich kalt wurde. Da haben wir entschieden dem Beton 1.5% Frostschutz zuzugeben. Bereits ab dem 3. Fahrmischer konnten wir aber die Frostschutzzugabe wieder reduzieren“, so Keller.

21 Getreidekammern lunkernfrei abreiben
Das 35 Meter hohe Silo beinhaltet 17 Getreidekammern, die von zuunterst bis fast zuoberst im Gebäude verlaufen. Im oberen Drittel kommen nochmal vier zusätzliche kleine Kammern hinzu. Jede dieser Kammern muss lunkernfrei betoniert und abgerieben werden. Fünf Mitarbeitende der Landolt-Gruppe, darunter der Polier und der Kranführer sind permanent vor Ort. Fünf weitere Mitarbeitende der Firma Bitschnau bringen den Beton ein und steigen immer wieder an Leitern in die Kammern herab, die oben mit Metallgittern gesichert sind. In jeder Kammer ist ein Holzboden an schweren Ketten an die obige Gleitschalung angehängt. Darauf können die Bauarbeiter stehen, wenn sie rundherum die neu betonierten Wände absolut glatt abreiben.

Jede Stunde ein Betonmischer
Neuer Beton wird stündlich angeliefert, immer im gleichen Turnus eingefüllt und mit der Vibrationsnadel manuell verdichtet. Damit sich der neue Beton mit dem vorherigen gut verbindet wird immer nur ungefähr 20cm Beton eingebracht. Alle paar Minuten wird die Gleitschalung per Knopfdruck um 2-3 Zentimeter hydraulisch hochgedrückt. „Der Gleitvorgang dauert bei einer Geschwindigkeit von 16-20 cm pro Stunde rund 10 Tage, das entspricht 3.8 Metern pro Tag“, erklärt Keller. Er ist als Projektleiter jeden Tag mindestens einmal auf der Baustelle. Meistens dann, wenn die Polier-Ablösung ansteht. Gearbeitet wird im Dreischichtbetrieb. Alle acht Stunden steht ein Wechsel an.“

Eisen legen nach Zeitintervall
Zu der Landolt-Gruppe und der Bitschnau-Crew sind je nach Schicht weitere 6-7 Eisenleger vor Ort. Sie haben einiges zu tun. 115 Tonnen Stahl werden für die Bewehrung bis zum Ende der Baustelle eingelegt. „Wir brauchten bereits im Vorfeld ein gutes Konzept, wann welche Eisen verlängert werden müssen. Mit dem Bauingenieur haben wir dieses so entwickelt, dass man die Eisen gestaffelt verlängern kann. So bleibt die Auslastung der Leute immer etwa gleich.“ 990 Kubikmeter Beton werden für den gesamten Gleitvorgang benötigt. Dieser wird aus einem nahen Werk der KIBAG geliefert. Neben der Schalung muss zudem der Gerüstturm täglich verlängert werden und alle zwei Meter durch vorher eingelegte Gerüsthülsen am Silo verankert werden.

Reto Färber, COO der Landolt Gruppe besucht die Baustelle regelmässig: „Es ist eine Fleissarbeit, ein Marathon. Am Anfang geht es noch. Gefährlich ist die Routine“, sagt er. Technisch anspruchsvoll sind insbesondere die Details:  Wie fixiert man beispielsweise eine Einlage für ein Fenster, damit diese nicht mit der Gleitschalung nach oben gedrückt wird? Auch hier profitiere man von der Erfahrung der Firma Bitschnau.

Kapazitätsausbau von 25 Prozent
Speziell sei bei diesem Silobau zudem, dass man an ein bestehendes 50jähriges Silo heranbaue. Die Bauherren Johanna und Peter Glanzmann geben vor Ort bereitwillig Auskunft zum Bau. „Betonierte Silos sind viel langlebiger als metallene“, deshalb habe man sich für ein solches entschieden. Mit dem neuen Silo kann die Neumühle Hallau GmbH ihre Kapazitäten um rund 25% ausbauen. „Bislang hatten wir 22 Zellen zum Einlagern“, erzählt Johanna Glanzmann. Nebst mehreren Getreidesorten, Sojabohnen, Sonnenblumen und Raps gelte es stets die verschiedenen Qualitätslabels sowie den unterschiedlichen Eiweiss- oder Wassergehalt einer Ernte zu berücksichtigen bei der Einlagerung. Zudem sei die Neumühle Hallau GmbH vom Bund verpflichtet stets einen Notvorrat von 600 Tonnen Eiweissprodukten und 400 Tonnen Getreide einzulagern. „Mit dem Neubau werden wir deutlich flexibler bei der Vielfältigkeit der Anlieferungen.“

Ein Sturm zieht auf…
An diesem Dienstagabend ist Tag zwei von den zu erwartenden 10 Bautagen geschafft. Bis zum Karfreitag müsste man mit der Gleitschalung fertig sein. Man sei absolut im Zeitplan erklärt Projektleiter Keller. Ihn beschäftigt jedoch die Wetterprognose für das nächste Wochenende: Ein Sturm ist angesagt. Für die Bauarbeiten eine grosse Herausforderung: Denn die Gleitschalung darf nicht stillstehen. Nur im absoluten Notfall würde man den Bau stoppen: Dies würde bedeuten, dass die komplette Schalung hochgezogen werden müsste, um zu verhindern, dass die Schalung am Beton kleben bleibt. Weiter müsste vor dem Neustart die ganze Schalhaut komplett gereinigt und ein Quellband in die Arbeitsfuge verlegen werden: Ein Zeitverlust von zweieinhalb bis drei Tagen, plus massivem Mehraufwand, um die entstandenen Arbeitsfuge zu kosmetisieren. Es steht viel auf dem Spiel.

…und es klappt doch…
Einige Tage nach Ostern vermeldet Stefan Keller erleichtert am Telefon, dass sie es geschafft hätten. „Einige schlaflose Nächte habe ich schon hinter mir“, gesteht er. Trotz intensiven Winden und Regen, habe das Team unermüdlich weitergearbeitet, vermeldet er stolz „Wir haben zudem die Betonrezeptur etwas verändert, damit der Beton weniger rasch abbindet. So konnten wir mit langsamerer Gleittätigkeit weiterarbeiten, bis das schlimmste Wetter überstanden war.“

Zwei Tage vor dem erklärten Ziel, nämlich bereits am Dienstag vor Ostern erreichte sein Team den Peak. Bereits fünf Meter zuvor, nämlich auf 30 Metern Höhe wurde die innere Schalung für die Getreidekammern von der Aussenschalung abgekoppelt. Auf die Getreidekammern wird später ein Technikraum zu stehen kommen, deshalb mussten nur die Aussenwände auf die Endhöhe von 35.5 Meter betoniert werden.

…und das deutlich vor dem Zeitplan
Nach ziemlich genau 212 Stunden war der 24-Stunden-Bau mit der Gleitschalung vollbracht.  „Wir haben 30 Stunden weniger gebraucht als budgetiert“, so Keller. „Am Mittwochmorgen räumten wir dann die Baustelle noch auf und gingen alle in ein verlängertes Oster-Wochenende.“

Nun werde die Gleitschalung wieder abgebaut. Es folgt der Einzug von drei Zwischengeschossdecken im Technikraum während über die Getreidekammern mit Elsässer Platten ein Betondeckel zu liegen kommt, worüber dann noch der Überbau für weitere Technikräume erstellt wird. Bis Ende Juni soll der Rohbau vom Silo dann endgültig fertig und bereit für den Einbau der Technik sein.


Kennzahlen zum Getreidesilo:

Bauvorhaben:

Höhe: 35.5 Meter
Getreidekammern: 21 Zellen
Platz für: 2'800 to Getreide
Hygienevorschriften Lunkernfrei


Gleitschalung:

Vorbereitung:  10 Tage
Gleitzeit:     8 Tage
Rückbau:  6 Tage


Mengen:

Bewehrung: 115 to
Beton: 990 m3

 

 

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