28. April 2022

Dornröschen wird wach geküsst

Eine historische Landvilla aus dem 18. Jahrhundert wird zum Kultur- und Gästehaus umgebaut. Damit soll die lange leerstehende Villa mit dem verwunschenen Garten wieder zum Leben erwachen. Das Besondere daran: Das Haus, unweit von Schloss Lenzburg steht unter nationalem Denkmalschutz. Besuch auf einer Baustelle, bei welcher von allen Beteiligten viel Fingerspitzengefühl gefragt ist.

Text: Anita Bucher

Zwischen der Lenzburger Altstadt und dem Schloss Lenzburg liegt auf halber Höhe die Villa Sonnenberg. Das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert stand lange leer. Seit einiger Zeit aber bewegt sich da was. Gerade hat die Vögeli Holzbau AG eine neue Ladung Balkenholz angeliefert. Hinter dem Haus steht ein Kleinbagger. Vor ungefähr 10 Tagen haben Baumeister und Holzbauer ihre Arbeit an der Villa Sonnenberg aufgenommen. Ihnen voraus gingen viele Begehungen mit der Denkmalpflege, Restauratoren, Historikern und auf Altbau spezialisierten Handwerkern.

Den Charme des Hauses erhalten
„Wir wollen die Villa Sonnenberg so ursprünglich sanieren, wie möglich und auch die Umgebung wieder in Stand stellen, wie sie früher mal war“, erklärt mir Urs F. Meier, der anstelle der Besitzerin als Bauherrenvertreter vor Ort ist. Entsprechend nahmen sich Besitzerin Christine von Arx, die Planer und Denkmalpfleger nach dem Erwerb erst einmal Zeit, um die Geschichte des Hauses zu erforschen. Nach und nach fanden sie heraus, welches die ältesten Bereiche des Hauses waren und welche Anbauten erst später getätigt wurden. Der Rückbau im Hausinnern war eine spannende Spurensuche durch Stilelemente und Zeitepochen. Damit verbunden auch immer die Fragen: In welchem Zustand befindet sich der jeweilige Hausteil? Was kann man erhalten? Wo braucht es allenfalls Verstärkungen in der Tragstruktur, wo Verstärkungen im Decken- oder Bodenaufbau und wie können diese erfolgen, ohne den Charakter des Hauses zu verändern?

Rückbau mit Überraschungen
Wer sich auf Spurensuche in die Vergangenheit begibt, stösst auch schon mal auf Unerwartetes. „In einem Zimmer fanden wir sieben Schichten Tapeten, die übereinander verklebt waren“, erzählt Bauleiterin Andrea Grob von VAREM. „Die älteste Tapete stammt aus dem 18. Jahrhundert.“ In einem anderen Zimmer stiessen die Handwerker beim Rückbau eines alten Schrankes gar auf eine handbemalte Decke mit Blumenrondell. Diese stammt, wie der älteste Teil des Hauses grösstenteils aus 1770 und wurde 1892 vom Lenzburger Malermeister Rudolf Furter ergänzt. Es sind Schätze, wie diese, welche wieder sichtbar werden sollen. Damit die fragile Decke erhalten und restauriert werden kann musste sie umgehend durch einen Stuckateur gesichert werden. Im oberen Stockwerk über der Malerei verstärken zudem neu eingebaute Stahlträger die eingesetzten Holzbalken im Boden.

Planung schafft Sicherheit
Während Überraschungen dieser Art natürlich erfreulich sind, versucht man sich vor den Unliebsamen so gut wie möglich zu schützen. Die Bauleiterin erklärt: „Bei der Planung und den Aufnahmen haben wir uns bewusst Zeit gelassen. Wir wollten mit dem Planungsstand so aktuell wie nur möglich werden. Damit wir wissen, womit wir arbeiten und womit wir rechnen müssen, haben wir das Hausinnere praktisch ausgeweidet, die Bodenbeläge, Decken- Wandbeläge zurückgebaut. So können wir so viele Eventualitäten wie nur möglich ausschliessen.“ Für die Sanierung der denkmalgeschützten Villa kommen zudem versierte Fachleute zum Einsatz. Die Bauunternehmung Zuckschwerdt Bau AG und Vögeli Holzbau haben beide viel Erfahrung mit der Sanierung alter Liegenschaften und bereits auf anderen Baustellen eng zusammengearbeitet. „Das funktioniert“, lassen mich Holzbauingenieur Peter Keller und Polier Jeremias Zuckschwerdt mit einem gemeinsamen Knopfnicken wissen.

Nach und nach werden sich Holzbauer und Baumeister an die Gegebenheiten des Hauses herantasten und im Hausinnern Hand in Hand arbeiten, wenn es darum geht die Bodenaufbauten neu zu machen, einen Technikkanal unter die neuen Böden einzuziehen, schiefe Böden auszugleichen, Nasszellen einzubauen oder Treppen zu verlängern.

Dachstuhl wird komplett erneuert.
Derzeit sind die Holzbauer daran den Dachstock zu sanieren. Dabei wird bis auf die Primär- und Sekundär-Tragstruktur alles zurückgebaut und ersetzt: „Leider ist das Holz hier mit einem starken Holzschutzmittel kontaminiert“, erklärt Peter Keller. Deshalb werden alle Balken, bei denen dies gut möglich ist, ersetzt. Tragende Balken werden auf Ihren Zustand geprüft, wo nötig verstärkt und dann in eine Folie eingepackt um die Schadstoffbelastung auf eine vertretbare Norm senken. So wird die Villa Sonnenberg einen vollständig sanierten Dachstuhl und später ein neues, gut gedämmtes Unterdach erhalten.

Auch im Hausinnen gibt es viel Arbeit für die Holzbauer. Zwar scheint das Tragwerk im Grossen und Ganzen in einem guten Zustand zu sein: „Einzelne Bauteile müssen aber dennoch substanzschonend ausgewechselt werden“, weiss der Holzbauingenieur. Im Erdgeschoss werden zudem einige bestehende Holzbalken mit dem Einbau von zusätzlichen Stahlträgern unterstützt und die morschen Balkenkopfträger ausgetauscht.

Neuer Technikraum wird angebaut
Polier Jeremias Zuckschwerdt und sein Team haben gerade mit dem komplizierten Einbau eines neuen Technikraumes in den Boden zwischen der Villa und ihrem Waschhäuschen begonnen. Die engen Platzverhältnisse zwischen den Gebäuden und der Hangdruck erfordern eine besondere Herangehensweise. Der Bauunternehmer wendet in Absprache mit dem Bauingenieur und dem Geologen, die umgekehrte Bauweise an: „Ein konventioneller Aushub ist aufgrund des Hangdrucks und der Nähe zu den zwei Gebäuden und dem historischen Keller gar nicht möglich. Deshalb tasten wir uns auf der Kelleraussenseite mit jeweils drei Meter langen, viereinhalb Meter tiefen und 50cm breiten Baggerschlitzen vor. Diese werden jeweils am selben Tag noch ausbetoniert“, erklärt er: „Auf der Hausseite machen wir es anders. Da gehen wir nur jeweils ungefähr einen Meter unter das Haus, bewehren und betonieren dann 40cm breit auf eine Tiefe von jeweils 1.5 Metern. Sobald der Beton wieder trägt und das Haus wieder gesichert ist, können wir weiter machen.“

So wird das Bauteam als erstes versuchen einen festen „Kranz“ für die neuen Kellermauern hinzubekommen, um eine gewissen Aussteifung bereits vor dem eigentlichen Aushub in der Mitte zu gewährleisten. Erst dann wird die Bodenplatte des neuen Kellers betoniert und später die Decke darüber erstellt.

Da es keine genauen Aufnahmen der unterirdischen Gebäudeteile gibt, müssen sich die Bauleute mittels Sondierungen an die genaue Lage des historischen Gewölbekellers herantasten. Auf der Hausseite besteht zudem die Schwierigkeit, dass eine der Anbauten überhaupt nicht fundiert ist. Schritt für Schritt müssen also beim Bau des neuen Technikraumes immer wieder Unterfangungen für die alte Villa gemacht werden. „Anschliessend ergibt sich auch die Zugangsmöglichkeit in den bestehenden Gewölbekeller“, erklärt der Polier.

Das Erdreich weist in den oberen Schichten viel Wasser auf (Quellgebiet). Weiter unten sind die Bauleute bei einer ersten Sondierung auf Sandstein und später ab viereinhalb Metern Tiefe auf Sandfels gestossen. Ob die Bodenzusammensetzung für den Aushub des ganzen Technikraumes dieselbe ist, wird sich weisen. Genauso wie auch die Frage nach archäologischen Funden. 1959 waren unweit der Villa Sonnenberg über 6300 Jahre alte Steingräber gefunden worden. Ein weiterer archäologisch wertvoller Fund ist somit an dieser Lage nicht auszuschliessen.

Zwei Quellfassungen saniert
Das nordseitig über zwei Stockwerke verlaufende reich verzierte Veranda-Geländer aus Gusseisen konnte bereits frühzeitig in Stand gestellt werden und ist schon fertig. Rund sechzig Teile davon mussten aufwendig neu gegossen und ausgewechselt werden.

Auch die Umgebung der Villa Sonnenberg soll nach und nach aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen, der verwunschene Garten einer gepflegten Anlage weichen. „Im Garten haben wir bereits einiges an Bäumen und Sträuchern gerodet“, erzählt mir Urs F. Meier. Zwei Quellfassungen auf dem Grundstück wurden durch die Bauunternehmung Zuckschwerdt Bau AG bereits im Jahr 2021 saniert und der alte Springbrunnen vor dem Haus soll ebenfalls wieder reaktiviert werden. Polier Jeremias Zuckschwerdt hat dazu eine klare Meinung: „In der heutigen Zeit (Corona, Krieg) finde ich es besonders wichtig zu unseren Ressourcen Sorge zu tragen. Wasser ist das Elixier des Lebens, ohne Wasser wäre ein so toller Garten nie möglich gewesen.“ Rückblickend auf die Arbeiten erzählt er: „Für uns war sehr eindrücklich, dass hinter der Einsturzstelle, ein in den Sandfels gehauener Stollen zum Vorschein kam, der zur Quellfassung führt. Hier befindet sich ein ebenfalls handgefertigter Trog, der vermutlich aus dem 17. Jh. stammt.“

Erfahrung und Vertrauen
Einiges ist also bereits geschafft in der Villa am Sonnenberg. Ganz vieles steht aber noch an. Bauleiterin Andrea Grob und Bauherrenvertreter Urs F. Meier sind froh, dass mit Baumeister und Holzbauer zwei Unternehmen vor Ort sind, welche genau wie das mit dem Auftrag betraute Architekturbüro einen Leistungsausweis für den Umbau alter Bauten vorzuweisen haben. Das allein reicht aber nicht. Für Holzbauer Peter Keller ist klar: „Damit ein Projekt wie dieses reibungslos verlaufen kann, braucht es sehr viel Vertrauen in uns Handwerker. Auf dieser Baustelle geniessen wir ein Riesenvertrauen der Bauherrschaft für das wir alle sehr dankbar sind.“

Holzbau- und Baumeister-Arbeiten dauern gemäss Zeitplan noch bis zum Herbst 2022. Ob das reichen wird? „Eher knapp bemessen“, vermutet Jeremias Zuckschwerdt. „Trotz dem Entkernen des Hauses könnte man immer noch auf sehr viele Eventualitäten stossen.“

Sicher ist: Holzbauer und Baumeister werden alles dran setzen den Termin einzuhalten, damit auch der Innenausbau pünktlich starten kann.


Verstärkungen der Holzträger, um die untenliegende beim Rückbau entdeckte Deckenmalerei zu schützen
 


Deckenmalerei aus dem 18. Jahrhundert, die restauriert werden soll


Bauleiterin Andrea Grob zeigt eine Sondierung zur Beurteilung der Tragstruktur


Polier Jeremias Zuckschwerdt arbeitet gerne mit altem Gemäuer

Geschichte der Villa Sonnenberg 
1769 vom damaligen Landschreiber (Rudolf von Fischer) des Berner Landvogtes (Johann Rudolf Schmal von Bern) als Wohnhaus erbaut. Viele Details in der gut erhaltenen Fassade, wie beispielsweise die fünf symmetrisch angeordneten Stichbogenfenstern an der Süd- und Westfassade sowie das vorkragende Walmdach weisen auf seine Berner Herkunft hin. Das Haus hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die von vielen Besitzerwechseln, An- und Umbauten geprägt ist. Als letzter residierte der Lenzburg Maler und Komponist Peter Mieg von 1939 bis 1990 dort. Danach ging das Haus in den Besitz der Stiftung Peter Mieg über. Fast 29 Jahre lang stand es groß mehrheitlich leer. 2019 erwarb die Historikerin Christine Von Arx die Villa mit dem Ziel sie zu einem Gäste- und Kulturhaus umzubauen.

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